WILLKOMMEN IN DER VERWALTUNG (aus der Einleitung unseres Buches)

Lieber Leser,

in der Hand halten Sie das Ergebnis vierjährigen intensiven Denkens, das 2018 von drei Menschen angefangen wurde, weil sie am Lagerfeuer herausfanden, dass alles übertrieben digital geworden sei.

Deshalb meinten sie, dass die Zeit einer Gegeninstitution der dänischen Digitalisierungsverwaltung gekommen sei, der Verwaltung des Finanzministeriums, die die Treibkraft hinter den Wagenladungen von Rechnern ist und früher von Fernsprechern und Schreibmaschinen widerhallte. Und von Menschen.

In der Verwaltung haben wir Arbeitsgruppen, Denk-Spaziertreffen, Lagerfeuergespräche, Schreibsitzungen durchgeführt, wir haben diskutiert, gelacht und geweint, und wir haben uns gesträubt, wenn der Wellenschlag des Digitalismus die dänische Gesellschaft getroffen hat.

Wenn wir das Wort Digitalismus verwenden, sprechen wir von dem Begriff, den andere Digitalisierung genannt haben, aber den sehr wenige eigentlich als etwas anderes als eine Art Naturkraft definieren können, etwas Unvermeidbares mit Rechnern, die geradezu angeblich alles göttlich besser machen.

Wir halten es für sehr problematisch, dass die dänische Gesellschaft anscheinend nach dem einzigen Prinzip Digitalisierung regiert wird, das keiner näher definieren kann und das dafür als Entschuldigung für den Versuch der Automatisierung und Mechanisierung des ganzen Landes benutzt wird.

Es braucht ein Gegenstück zu dieser Strategie, nicht zuletzt, weil sie schon jetzt die Gesellschaft ändert, in der wir leben.

Das Gegenstück ist Analogisierung.

Wir haben herausgefunden, dass Analogisierung für Bürger besonders relevant ist, die durch die Digitalisierung in die Klemme geraten sind: Diejenigen, die von der Kommune oder dem Staat nicht so bedient werden können, wie es ihr Recht ist. Oder diejenigen, die sehr viele Lasten tragen müssen (in Form von Zeit und Energie), um die Technologie zum Funktionieren zu bringen (eine Internetseite, eine Selbstbedienungskasse, den digitalen Zugriff auf öffentliche Dienste). Alle uns, die wir erlebt haben, uns dumm vorzukommen, weil wir eine neue, ’tolle’ und ’intuitive’ Technologie nicht entziffern konnten. Aber: Analogisierung ist auch relevant für:

  • diejenigen, die auf einer sehr hohen Ebene mit Informationstechnologie gearbeitet haben. Das kann paradoxal klingen, aber genau sie haben Experteneinsicht in die Verletzlichkeit der Systeme, und sie haben direkte Einblicke in das Fehlen fachlicher oder wissenschaftlicher Belege für das Bestehen und die Wirkung digitaler ”Lösungen”;
  • alle, die von einer natürlicheren, geistigen, authentischen Welt träumen;
  • diejenigen, die die Technologie als eine bissige, allesfressende raubkapitalistische Kraft sehen, die überall Krater von Leere und Nihilismus hinterlässt.

Wer hat am ehesten recht? Wir glauben, dass in allen Positionen ein kleines Stück Wahrheit steckt.

Also: Wir haben uns darauf geeinigt, unsere eigene Verwaltung einzurichten. Aber wie tut man eigentlich das? Den Namen hatten wir. Danach mussten wir uns den Titel Bevollmächtigte zulegen und die Sprache der Verwaltungen lernen. Zu diesem Zweck haben wir Jahrespläne und Strategien des Staates und unserer Schwesterverwaltung, der dänischen Digitalisierungsverwaltung genau studiert ‒ ein Studium, das in diesem Buch immer wieder deutlich wird.

Was unternimmt dann eine Verwaltung? Sie veranstaltet Arbeitsgruppen, verschickt Pressemeldungen, schreibt Protokolle, stellt Bescheinigungen aus, schreibt Visionspapiere, Angebote und klärt auf, sie initiiert Kennzeichnungsregelungen und bewerkstelligt Fahrpläne, Ideenwettbewerbe und Kampagnen samt nimmt sie an Netzwerksitzungen mit anderen Verwaltungen teil; sie vermittelt ihre Tätigkeiten an die Presse.

Das wollten wir auch.

Wir legten also unsere eigenen Strategien und einen Harmonisierungsplan zurecht, damit die Analogisierungsverwaltung in einer Übergangsphase mit 6 % (3,3 Mio. Euro) vom Haushalt der Digitalisierungsverwaltung finanziert werden konnte. Die Initiative hat sich bedauerlicherweise noch nicht in konkreten Transaktionen materialisiert ‒ davon können Sie in einem Appendix zuletzt im Buch und in einem bisher nicht veröffentlichten Protokoll eines Netzwerktreffens mit der Digitalisierungsverwaltung lesen.

Und dann soll eine Verwaltung natürlich mit den Bürgern sprechen: Wir haben im Laufe der letzten vier Jahre sowohl elektronische Post als auch Mengen von physischen Briefen empfangen (und beantwortet); einige davon können Sie in diesem Buch lesen.

Selbstverständlich ist die Analogisierungsverwaltung gelegentlich ironisch und sarkastisch, aber in einer immer digitaleren Welt scheinen unsere Meinungen, ungeachtet ihrer scheinbaren Absurdität, immer relevanter.

Deshalb werden in diesem Buch auch ernste Essays vorkommen. Mit einer Formulierung dessen, was wir ANALOGE RECHTE nennen. Wenn alles andere Sie langweilt, dann lesen Sie bitte diese. Sie sind wichtig.

Teile dieses Buchs sind selbst eine Analogisierung: Wir betreiben seit dem Jahre 2018 eine Internetseite, Analogist.dk, obwohl wir uns der Ironie gerade darin bewusst sind. Dieses Buch ist eine Zusammenfassung einiger der Gedanken und Formexperimente auf der Internetseite; es ist eine wahre und konkrete Analogisierung von etwas Digitalem, so dass Sie von Ihrem Schirm fort- und stattdessen hier lesen können.

Viele analoge Grüße!

Bevollmächtigte Balslev und Kjærulff